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Die Sparsamen Fünf: Vision für einen „Nord-Euro“?

Die mühsamen, ja hitzigen Verhandlungen für den Europäischen Wiederaufbaufonds („European Recovery Fund“) im Rat der Staats- und Regierungschefs haben mindestens eines gezeigt: Den sogenannten „GIIPS“ (Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien), also jener für die 2. Dekade des Euro (2010-2019) prägenden Krisen-Ländergruppe, stehen jetzt nicht mehr die „GLNF“ (Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Finnland) oder die „GANL“ (Deutschland, Österreich, Niederlande, Luxemburg), sondern künftig die „Sparsamen Fünf“ (Österreich, Niederlande, Finnland, Schweden und Dänemark) gegenüber. Es werden schon Wetten darüber abgeschlossen, ob Deutschland diesem neuen „Club“ beitritt, sobald klar ist, dass der „Süden der Eurozone“ (nun auch mit Frankreich) die mit dem Europäischen Wiederaufbaufonds einhergehenden Transferzahlungen (390 von 750 Mrd. Euro im European Recovery Fund)) prinzipiell (wenn auch nicht immer in diesem Umfang) perpetuieren möchte, die Kanzlerin Merkel als einmalige Kraftanstrengung im Zeichen der Corona-Pandemie verstanden wissen will. Es könnte sein, dass zukünftig der Druck der Parlamente in den Ländern der „Sparsamen Sechs“ dann so groß wird, dass ein Verlassen der Eurozone durch diese Länder keine reine Phantasie mehr ist.

Ein Kernargument der Befürworter einer „Weiterentwicklung“ des Status Quo der Eurozone hin zu einer Transfersunion und Haftungsgemeinschaft lautet ungefähr so: Deutschland ist der Hauptprofiteur des europäischen Binnenmarkts, weil es als extrem exportlastige Nation von dem freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen überproportional profitiert. Das alleine rechtfertige allemal, dass Deutschland der wichtigste Nettozahler innerhalb der EU sei. Hinzu komme, dass der Euro und die damit gegenüber der Zeit vor 1999 wegfallenden Wechselkursrisiken und Transaktionskosten gerade Deutschland zusätzliche Handelsvorteile in Europa verschafften. Entsprechend temperamentvoll verweist der europäische Süden gerne auf die eigenen Defizite im bilateralen Handel mit Deutschland. Diese Argumentation ist mindestens unvollständig: Im Sinne des Aufbaus und der Mechanik der Zahlungsbilanz kommt es eben nicht allein auf die Handels-, sondern insgesamt auf die Leistungsbilanz an. Diese enthält gegenüber der Handelsbilanz vor allem zusätzlich die Dienstleistungsbilanz. Ausgaben von Deutschen für Tourismus in Spanien, Italien etc. passivieren definitionsgemäß gegenüber diesen Ländern unsere eigene Dienstleistungsbilanz, denn die Einnahmen aus Tourismus von Spaniern, Italienern, etc. in Deutschland bleiben erfahrungsgemäß dahinter weit zurück. Nur wenn der (positive) Saldo in der Handelsbilanz den (negativen) Saldo in der Dienstleistungsbilanz überkompensiert, gerät die Leistungsbilanz  Deutschlands insgesamt ins Plus.

Zurzeit werden wir Sondereffekte durch die Corona-Pandemie erleben. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Spaniens und Italiens Einnahmen (und damit auch der positive Saldo in deren Dienstleistungsbilanz) aus Tourismus werden, da z. Zt. viel weniger Deutsche als sonst üblich ihre Ferien dort verbringen (können), stärker einbrechen als der deutsche Handelsbilanzüberschuss gegenüber diesen Ländern: Corona kann keine Güter, sehr wohl aber Dienstleistungen „infizieren“, an denen Menschen mitwirken. Die Folge: Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss wächst demgemäß vermutlich noch an, auch wenn das Volumen der Exporte (und Importe) noch einigermaßen weit hinter dem Niveau früherer Jahre zurückbleiben wird.

Aus der Sicht der Zahlungsbilanzmechanik bedeutet dies c. p. auch eine erhöhte Nettokreditvergabe Deutschlands an Länder wie Italien und Spanien. Diese Kredite werden aber im Target-2-Zahlungsverkehrssystem der Eurozone lediglich als zunehmende Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank (zunehmende Target-Verbindlichkeiten des Banco de Espana/Banca d‘Italia) gegenüber der EZB verbucht und sind nicht durch Pfandbriefe o. ä. m. besichert. Darauf hat H.-W. Sinn schon seit fast einem Jahrzehnt immer wieder warnend hingewiesen. Wie das Handelsblatt kürzlich (10.08.20, S. 33) berichtete, stieg der Target-Saldo der Deutschen Bundesbank gegenüber der EZB Ende Juli 2020 auf den Rekordwert von 1019 Mrd. Euro. Anders gewendet: Wir Deutschen haben ein vitales Interesse daran, dass der Tourismus in Italien und Spanien möglichst bald (bei möglichst geringer Gefährdung der Gesundheit durch Covid-19) wieder „anspringt“ und den deutschen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber diesen Ländern reduziert. 

Hier kommt der mögliche Austritt der Sparsamen Fünf oder Sechs aus der Eurozone ins Spiel: Deren Target-Forderungen gegenüber der EZB, wären, darin sind sich alle Experten einig, unwiederbringlich verloren. Und damit ein großer Teil des jeweiligen Nettoauslandsvermögens. Die Target-Forderungen sind mithin kein Druckmittel der Sparsamen Fünf oder Sechs, sondern der übrigen Teilnehmer an der Eurozone bzw. der EZB gegen zukünftige Austrittsdrohungen der Sparsamen Fünf oder Sechs. Dagegen nimmt sich das Risiko, dass ein noch zu gründender „Nord-Euro“ gegenüber dem verbliebenen Euro (und auch gegenüber anderen Währungen) nach Ausgabe deutlich aufwerten würde, eher gering aus. Damit könnten die Sparsamen Fünf oder Sechs wohl gut umgehen. Auch unter einer starken Deutschen Mark gelang es bekanntlich der alten Bundesrepublik in erheblichem Umfang vor 1999 Handelsbilanzüberschüsse zu erzielen. Und: Eine attraktive Währung ist weit eher in der Lage, ein vergleichsweise niedriges Zinsniveau durchzusetzen als weiche Währungen. Das ist zwar jetzt noch kein Thema, könnte es aber bald werden: Die kostensenkenden Vorteile der Globalisierung mit ihren langen Lieferketten haben die Inflation lange in der Welt gedrosselt. Die Umstrukturierung der Weltwirtschaft im Zuge der Corona-Pandemie wird die Büchse der Pandora aber wohl bald öffnen.

Es gibt demnach für die Sparsamen Fünf bzw. Sechs eine Menge an Argumenten/möglichen Effekten abzuwägen, bevor sie sich aktiv in eine Austrittsdiskussion hinein begeben.

 

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